prelle02 hat geschrieben: ↑16.03.2021, 16:59
Sehr interessante Einblicke in die Restauration.
Demnach ist kein Originalnegativ oder Zwischenpositiv des Films mehr vorhanden? Oder wurden solche Materialien vom Lizenzgeber nicht zur Verfügung gestellt?
Negative werden für eine Restaurierung unsererseits eigentlich nie zur Verfügung gestellt. Der Normalfall ist, dass der Lizenzgeber selbst vom - hoffentlich vorhandenen - Negativ/Interpositiv restaurieren lässt. Dann ist es für uns sehr leicht... Oder es gibt anderes, irgendwie brauchbares digitales Material. Schlimm ist es nur dann, wenn das vorhandene Material beim besten Willen nicht ausreicht, z. B. hier gab es kein digitales Material in voller Breite, nur sehr, sehr schlechtes. Also gingen wir auf die Suche... Eigentlich sollte das alles ins Booklet, aber wie so oft war dafür keine Zeit - immerhin haben wir hier zum ersten Mal seit Pidax-Anfang dreimal verschoben. Oder waren es sogar viermal?
Hier mal der unredigierte und unvollständige Text, der eigentlich am Ende ins Booklet sollte, dann versteht man evtl. mehr:
Im Juni 2019 lizenzierten wir einige Filme bei der CCC-Filmkunst,
darunter auch "Die Hölle von Manitoba". Für diesen Titel gab es
allerdings kein letztlich brauchbares digitales Material, schon gar
kein HD-Material für eine geplante BluRay,
also entschlossen wir uns dazu, 35mm-Film neu abtasten
zu lassen und bei uns im Haus zu restaurieren, falls nötig.
Leider gestaltete sich die anschließende Suche nach solchem Material
schwierig: Im CCC-Filmarchiv war nichts vorhanden, und das einzige
offiziell erhaltene Filmmaterial war anscheinend eine 35mm-Kinokopie
(ursprünglich sollte es sich sogar um Negativmaterial handeln)
in der Deutschen Kinemathek. Da hier gerade umfangreichere Umstrukturierungen
vorgenommen wurden, dauerte es längere Zeit, bis das Material bei unserem
Partner zur Abtastung ankam.
Um so enttäuschender, dass statt der erwarteten Kopie nur sieben
Filmrollen mit Trailern anderer Filme enthalten waren. Wann der
Archivierungsfehler gemacht wurde, ließ sich seitens der Kinemathek nicht
mehr feststellen, und es war dort auch kein
weiteres Material mehr auffindbar. Das war im November 2019.
Nach nochmaliger Recherche entdeckten wir doch noch eine
35mm-Kopie im Archiv der Murnau-Stiftung, die uns bei der ersten
Suche anscheinend entgangen war. Diese war allerdings in keinem
besonders guten Zustand. Die Murnau-Stiftung schrieb:
"... wir mussten die Prüfung von HÖLLE VON MANITOBA leider abbrechen.
Der Film hat bereits einen PH-Wert von 4,8 bis 5,0 und somit beginnende
Vinegar-Zersetzung. Aus Arbeitsschutzgründen können wir hier keine
Vinegarkopien befunden."
Das ließ nichts Gutes ahnen. Wir ließen dennoch einige kurze Szenen abtasten,
die ich nach einiger Zeit als Download zur Begutachtung erhielt.
Das sah doch gar nicht so schlecht aus, und so entschloss ich mich, die
Restaurierung zu wagen. Der bestehende Lizenzvertrag wurde erweitert;
nun gab es kein Zurück mehr.
Als ich nach erfolgter Gesamtabtastung den gesamten Scan prüfen konnte, traute ich meinen
Augen nicht: Nicht nur, dass weite Teile der 5 Akte in einem sehr schlechten
bis misrablem Zustand waren, es gab auch eine Unzahl Fehlstellen. Am
schlimmsten war, dass die ersten zwei Minuten komplett fehlten.
Die einzige Möglichkeit, diese Stellen irgendwie zu füllen, bestand
darin, anderes digitales Material, das nur in ziemlich schlechter SD-Qualität
vorlag, hochzurechnen und damit die Lücken zu füllen. Nach etlichen
Versuchen, auch mit eigenen neuen Ansätzen, anderen Neuentwicklungen, sogar mit
neuesten Ansätzen künstlicher Intelligenz, musste ich einsehen, dass
dem Flickenteppich so nicht beizukommen war. Allein die ersten zwei Minuten
als Upscale zu präsentieren, wäre mehr als unbefriedigend gewesen.
Ich begann dennoch mit der Restaurierung und beseitigte bzw. kaschierte
zunächst Hunderte von Flecken und Laufstreifen, die von der automatischen
(schon sehr, sehr guten!) Retusche nicht erfasst werden konnten. Hierbei wurde Wert
darauf gelegt, zu erhalten, was immer möglich war, nach dem Grundsatz "weniger ist mehr".
Dann geriet ich zufällig aus ganz anderen Gründen an einen mir bis dahin
nicht bekannten Filmsammlerkreis. Nach einigen Rundfragen fand sich bei einem
der Sammler tatsächlich noch eine weitere 35mm-Kinokopie der "Hölle von Manitoba"!
Ich erhielt die ersten drei Akte Anfang Dezember 2020.
Der erste Akt war in weit besserem Zustand, der Anfang erhalten. Etliche
Fehlstellen der Murnau-Kopie waren hier in Ordnung, sodass
mithilfe der ersten drei Akte der neuen Kopie endlich die finale Restaurierung
in Angriff genommen werden konnte. Leider stellte sich heraus, dass auch diese Kopie,
wie üblich vor allem an den Aktanfängen und -enden, nicht gerade hervorragend
erhalten war. Die Fehlstellen, allerdings, konnten sehr oft mithilfe der jeweils
anderen Kopie ziemlich gut ausgeglichen werden. Hierbei war es leider
einige Male notwendig, innerhalb einer Szene von der einen auf die andere
umzuschalten, da jede Kopie mindestens eine Fehlstelle in der Szene hatte.
Dass beide Kopien an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen Scannern
abgetastet worden waren, erschwerte diese Arbeit zusätzlich, denn zu den ohnehin
immer vorhandenen Unterschieden in Bildstand und Farbgebung kamen hierbei noch
völlig unterschiedliche Helligkeitswerte: Die zweite Kopie, die mit einem logarithmischen
Verfahren abgetastet worden war, wies viel mehr Details in dunklen Bereichen auf,
wirkte aber "milchig", die andere ausgewogen, aber mit wenig dunklen Details.
Hieraus einen nicht sichtbaren Übergang mitten in einer Szene zu rekonstruieren,
gestaltete sich mehrfach zu einer echten Herausforderung.
Die Farben beider Kopien waren im Laufe der Jahre durch chemische Reaktion
rot-, bzw. gelbstichig geworden, die eine sehr, die andere ziemlich. So etwas kommt
häufig vor und lässt sich in gewissen Grenzen relativ gut korrigieren, doch wird
erfahrungsgemäß das, was nach der Korrektur übrigbleibt, sehr "sensibel", d. h., das, was von den
anderen erhaltenen Farben noch übrig ist, kann von Szene zu Szene stark schwanken,
bzw. werden von vorn herein starke Schwankungen nun erst sichtbar, die vor Eintreten des Rotstichs
unauffällig waren. So etwas zieht dann immer eine szenenweise Farbkorrektur
nach sich, um die Schwankungen auszugleichen. Hier gestaltete sie sich extrem schwierig,
so etwas hatte ich bis dato noch nicht erlebt. Erst mithilfe einer Technik, die zum Teil Farben
von anderen Kopien übernehmen kann (mit Abstrichen und auch nur höchst bedingt), gelang
es am Ende der ursprünglichen Farbgebung wenigstens nahezukommen. Diese war nur in
einer einzigen digitalen Kopie vom ORF (bis auf den in solch alten Scans üblichen erhöhten
Blauanteil) erhalten. Damit ließ sich sehr gut arbeiten. Alle anderen Kopien, und deren hatten
wir einige, waren komplett rot-, eher braunstichig (und auch so auf DVD und VHS veröffentlicht
und auch im TV gesendet worden) bzw. leidlich gegen diesen Rotstich korrigiert worden.
Das Endergebnis ist keineswegs perfekt, mehr wäre nur mit (noch) viel mehr Zeit möglich gewesen.
...
Der Grund, warum wir so gut wie nie solche Berichte auf die DVD/BluRay nehmen, ist ganz einfach:
-Entweder das Ergebnis ist BESTMÖGLICH, aber nicht SO gut, dass man damit prahlen kann, d. h.,
wenn man zu einem mäßigen Bild (trotz aller Arbeit daran!) ein Vorher-Nachher bringt, wirkt das
ziemlich blöd, nicht?
-Oder das Bild war VON VORN HEREIN gut bis sehr gut, und wir mussten nur wenig daran tun.
Hier gibt es dann wenig zu berichten...
Die Fälle, wo zu Beginn wirklich mieses Bild vorlag, und am Ende etwas wirklich Gutes herauskommt,
sind äußerst selten. Hier wäre es eigentlich mal beinahe so, aber es war wie gesagt, keine Zeit mehr,
und außerdem ist man ja nie so richtig zufrieden mit so etwas...